verteidigt Kunst und Kultur – das Wichtigste in Kürze |
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Wenn Sie das lesen, schließt meine jüngere Tochter die schriftliche Zentralmatura gerade mit dem Fach Englisch ab. Das geliebte Latein ist souverän bestanden, selbst Mathe hatte nach dem neuen Beurteilungsschlüssel dank guter Jahresabschlussnote seine Schrecken verloren. Nur die Deutsch-Matura haben alle verflucht. Wo man früher Bildung, Stil und freies Argumentieren geschliffen hat, herrscht jetzt bürokratischer Drill, seit der Literaturunterricht zugunsten von „Textsorten“ liquidiert wurde. Bloß nicht die Textsorte „Leserbrief“ mit der Textsorte „Offener Brief“ verwechseln! „Erörterung“ nicht mit „Zusammenfassung“, und alles nie über 680 Wörter, verbindlich mit Leerzeile zwischen den Absätzen. Meine Tochter hat die Matura - im Ernst - mit einer „Meinungsrede“ zu einem Zeitungsartikel über die Reparatur von Haushaltsgeräten bestanden. Die einzige Literaturfrage (von sechs) betraf zwei kurze Gedichte von Enzensberger und Jürgen Halter, die laut sechseinhalb Seiten langer Bedienungsanleitung totzuinterpretieren waren – hätte ich auch nicht gewählt. Dank an alle, die uns den zentralisierten Schwachsinn eingewirtschaftet haben. Von der Volksschule, in der niemand mehr Deutsch spricht, bis zur akademischen Reife: Unsere Bildungspolitik pflastert gewissenhaft den Weg von der abgetöteten zur toten Sprache. |
Was eine lebende, pulsierende Sprache vermag, davon konnten sich die 32 bzw. 2.300 Glücklichen überzeugen, die in Griechisch bzw. Latein maturierten. Die Gräzisten erfuhren bei Plato/ Sokrates, wie man Wissende von Scharlatanen unterscheidet. Und erst das zweite Beispiel, das aus der „Ilias“! Der Grieche Diomedes und der Trojaner Glaukos stehen einander hochgerüstet gegenüber. Da fällt ihnen ein, dass ihre Familien endlos befreundet sind, und sie gehen lieber einen heben. Das ist drängende, ermutigende Friedenspolitik anno 2025, während sich der Reparaturartikel aus der Deutsch-Matura wie 3000 Jahre alt liest.
Meine Tochter hatte in Latein mit zwei Prachttexten ihre Freude. Die Fabel des konvertierten Rabbiners Petrus Alfonsi aus dem 12. Jahrhundert mutet chassidisch an: Ein Bauer fängt einen Vogel, der sich weigert, in Unfreiheit zu singen. Aber er werde dem Bauern im Fall seiner Freilassung lebensverändernde Erkenntnisse übermitteln. Der Landwirt glaubt ihm, doch die Weisheit, die das Vieh für ihn bereithält, ist kein Kompliment: Glaub nicht jedem, der dir etwas verspricht. Das zweite Beispiel betraf ein schmerzvolles Liebesgedicht der Sappho und sein Pendant von Lord Byron. Ja, zuspruchsbedürftig geliebt hat man schon vor 3000 bzw. 200 Jahren. Aber um sich in den Reparaturartikel zu verlieben, muss man schon ein arger Perversling sein. |
Hörenswert: „Die Konferenz der Tiere“. Erich Kästners radikalpazifistisches Kinderbuch, gelesen von Max Müller, begleitet vom Universalperkussionisten Klaus Lippisch. Sonntag, 11. Mai, um 16 und 19.30 Uhr im Gläsernen Saal des Musikvereins. |
Sehenswert: Elias Hirschls KI-Satire „Content“, ansehbar dramatisiert im Wiener Schauspielhaus. |
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